Pestalozzischule
Städtische Schule für Lernbehinderte (Sonderschule)
47193 Duisburg, Ottostr.123
Tel 02066-370276 FAX 02066-415179
Handy 0173 -6362936

Schüler recyclen Alt-PC´s für andere Schulen

Zusammenfassung

Die Schule gründete die Schülerfirma CAP, welche als Elektronik-Recycling-Unternehmen alte Computer-Hardware fachgerecht recycelt. Die Schüler lernten dabei den Wertstoffkreislauf und die Organisationsformen einer Firma kennen.

Die Vorgeschichte

Aus der Diskussion um die Rohstoffverknappung und der extremen Verkürzung von Gebrauchslaufzeiten bei Computern ergab sich die Idee, noch lauffähige Geräte länger im Gebrauch zu halten und über die Demontage von defekter oder zu alter Hardware die wertvollen Reststoffe wieder in den Wertstoffkreislauf zurückzuführen. Dadurch ergab sich gleichzeitig die Möglichkeit der Gewinnung von Ersatzteilen.
Diese Überlegung und die Aussicht, auf diesem Weg auch noch viele brauchbare Computer für Schulen zu erhalten, wurde dann immer weiter entwickelt. Gleichzeitig zeigte sich bei der Planung, dass noch viele andere Ziele gut in diesem Projekt zu verwirklichen waren.

Unser Konzept:

Die Schüler der Oberstufenklassen 9 und 10 arbeiten an einem Tag in der Woche von 8°° bis 16°° Uhr in der selbst eingerichteten Werkstatt, in welcher Alt-PCs von Schulen, Behörden und Wirtschaftsunternehmen geprüft, aufbereitet und an andere Schulen weitergegeben oder aber fachgerecht demontiert und nach Reststoffen sortenrein getrennt werden. Die einzelnen Reststoff-Fraktionen werden an Recycling-Unternehmen als beteiligte Kooperationspartner weitergegeben.
Wiederverwertbare, intakte Hardwarekomponenten werden geprüft und zur Ergänzung / Reparatur von defekten PCs ( ab 486 er) verwendet.
Das Vorhaben soll gleichzeitig die Schüler auf den Übergang Schule - Beruf vorbereiten, indem sie acht Stunden eine dem Arbeitsleben ähnliche Situation erleben.
Während der Mittagspause werden sie mit einer von der Hauswirtschaftsgruppe zubereiteten Hauptmahlzeit versorgt (Integriertes Projekt : Kochen für Großgruppen / Berufsfeld Hauswirtschaft, Küchenhilfe, Gastronomie etc. In diesem Projekt werden auch alle projektüblichen Bestandteile wie Kostenkalkulation, Mengenplanung, Zeitplanung etc. realisiert).
Der Betrieb eines ”Büros” mit Erfassung und Verwaltung von Wareneingang, Warenausgang, Korrespondenz und Personalverwaltung wird erprobt. Im Rahmen der Personalverwaltung sollen auch Modelle der Erfassung von individueller Arbeitszeit und Arbeitsleistung erprobt werden.
Die Büroorganisation soll mit den Medien heutiger Bürotechnik (Telefon, Fax, PC mit Office-Paket) erledigt werden. In der Korrespondenz wird ein bewußter Wert auf Angemessenheit in Form und Inhalt gelegt.
Durch die Ausrichtung der Unterrichtsfächer (Technik, Hauswirtschaft, Physik, Mathematik, Deutsch, Wirtschaftslehre)auf dieses Projekt wird eine umfangreiche Einbettung in die Lerninhalte erreicht.
Übergeordnetes Ziel ist jedoch die Anleitung zu ”Arbeitstugenden” wie Pünktlichkeit, Fleiß, Durchhaltevermögen, Sorgfalt etc.
Die Arbeit der Schülerfirma stellt nur die ersten Schritte im Wertstoffkreislauf dar. Die tatsächliche Rückgewinnung der Wertstoffe z.B. aus den Elektronikbauteilen kann nur in Spezialfirmen geschehen. Diesen Weg wollen wir allerdings u.a. mit Besuchen und Videoaufzeichungen und Schaubildern dokumentieren, damit die Arbeit in ihrer Effektivität und ihrem Sinngehalt transparent wird.

Die Vorbereitung

Nachdem die anderen Lehrer und Lehrerinnen auch für das Vorhaben gewonnen waren, wurden die rechtlichen und sicherheitstechnischen Voraussetzungen ermittelt und geschaffen. Gleichzeitig wurden die Raum- und Einrichtungsfragen geklärt.
Ein bisheriger Werkraum wurde mit den Schülern zur Recyclingwerkstatt umgestaltet, Regale wurden angeschafft und aufgebaut. Die alte Lehrküche zum neuen Computerraum und damit zum Firmen-Büro. Der alte PC-Raum wurde zum Kantinenraum und die Küche brauchte für die Zubereitung so großer Mengen nicht nur neue Töpfe, sondern insbesondere auch eine vernünftige gasbetriebene Großbratpfanne. Dazu gab es wieder eine Menge von wichtigen Sicherheitsbestimmungen durch Feuerwehr, Unfallversicherung und Hochbauamt. Viele Gespräche, Ortstermine und Zeitdruck, denn die Schüler wollten nun auch möglichst schnell an die ”richtige Arbeit” gehen.
Nach ca. einem halben Jahr Vorbereitung war es dann soweit:

Die Durchführung

Am Mittwoch, dem 20.10.1999, wurden dann endlich in der Werkstatt die ersten Alt-PCs getestet und nach der Verwertungsentscheidung auseinandergeschraubt. In der Küche wagte sich die Großküchenbesatzung erstmals an die ungewohnten Mengen und im Büro lernten die ”Verwaltungslehrlinge” ihre ersten Schritte zur Verwendung von Textverarbeitung und Tabellenkalkulation für unsere Bedürfnisse.
Der Wareneingang an alter PC-Hardware wurde zuerst durch Entsorgungsfälle anderer Schulen gedeckt, doch nach einigen Presseberichten und einem Radiointerview des Lokalsenders ”Radio Duisburg” bestätigte sich die Planungsannahme, dass es einen riesigen Berg von EDV-Hardware gibt, der zur Entsorgung anfällt. Auch die Erwartung, dass ein erheblicher Teil dieses Entsorgungsaufkommens für die Demontage eigentlich viel zu schade und noch gut in Schulen einsetzbar ist, bestätigte sich. Im Zeitraum Herbst 1999 bis Sommerferien 2000 wurden über 700 Geräte entgegengenommen, registriert, getestet, demontiert oder ins Ausgabelager weitergegeben. Unsere Kooperationsfirma im Entsorgungsbereich hat schon mehrere Lieferungen ( ca 4 Tonnen) an sauber getrennten Reststoff- Fraktionen übernommen und die Qualität der erbrachten Leistung bestätigt. Inzwischen fand sich eine weitere Entsorgungsfirma, die unsere Reststoffe nicht nur abnimmt, sondern auch bei uns abholt, was für uns eine deutliche logistische Entlastung bedeutet. Natürlich ergeben sich immer wieder noch kleinere Probleme, die organisatorischer oder konzeptioneller Feinarbeit bedürfen.
Wie regelt unsere Firma den Umgang mit nicht so arbeitsfreudigen Mitarbeitern?
Wie können wir individuelle Arbeitsleistung messen?
Müssen alle Schüler in den zwei Jahren auch alle Gruppen durchlaufen?

Die weitere Planung

Bisher gab es eine ausgesprochen positive Bilanz. Die Motivation der Schüler zu dieser Art von praktischem Lernen ist deutlich höher als zu herkömmlichem Unterricht. Der Wareneingang ist erfreulich hoch.
Die Werkstattarbeit leidet lediglich unter Platzmangel. Ansonsten haben sich erwartungsgemäß schon ”Spezialisten” für bestimmte Aufgabenstellungen gefunden, die auch anderen Mitschülern dann hilfreich zur Seite stehen können.
Die Mitglieder der Großküchenabteilung strahlen jedesmal stärker über die gute Resonanz auf die zubereiteten Mahlzeiten und die Bürogruppe hat langsam die Grundzüge der Programme verinnerlicht und nun auch schon gut gestaltete Formulare für die Arbeit der anderen Gruppen erstellt.
Wareneingang und Finanzierung sind für das nächste Jahr weitgehend gesichert.
Bei zwei Wettbewerben konnten wir erfolgreich teilnehmen und mit den gewonnenen Geldpreisen wieder die Ausstattung weiter verbessern. Wichtiger war den Schülern jedoch der persönliche Erfolg in den Wettbewerben, da sie selbst an dem Erfolg beteiligt waren und daher auch auf sich selbst stolz sein konnten.
Vor uns liegt noch eine noch stärkere Einbettung / Verknüpfung mit dem Unterricht der anderen Tage. So soll die Dokumentation, was denn nun mit den von uns erarbeiteten Reststoffen in den Spezialfirmen weiter geschieht, teilweise durch Kleingruppen mittels Videokamera und anschließendem digitalen Videoschnitt am PC in weiteren kleinen Projekten durch Besuche bei solchen Firmen erarbeitet werden. Eine Besichtigung mit allen Schülern ist aufgrund der teilweise hohen Entfernungen und der damit verbundenen Kosten nicht durchführbar.
Für die Aufrüstung der Geräte überlegen wir Möglichkeiten, uns noch fachliche Unterstützung zu holen, z.B. über die Seniorenagentur oder über Kooperation mit Qualifizierungseinrichtungen, da diese Arbeiten von der Softwareseite (BIOS-Update) doch anspruchsvoll und zeitintensiv sind.
Aufgrund der guten Resonanz bei den Schülern und der Beobachtung der LehrerInnen , dass auf diese Art und Weise SchülerInnen ganz neue Seiten von sich zeigen können und die Chance zu wertvollen und intensiven Erfahrungen geboten bekommen, hat das Kollegium sich dafür ausgesprochen, das praktische Lernen viel stärker als bisher zur eigentlichen Methode unserer
Schule zu machen und entsprechend im Schulprogramm zu verankern.

Autor Hans-Peter Giese
Sonderschulkonrektor
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