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 22. Mai
2002

Internationaler Tag der Biologischen Vielfalt

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Beitrag des WDR 5 Wissenschaftsmagazins "Leonardo" 

 

leonardo

Autorin: Claudia Ruby

22. Mai 2002

Redaktion: Klaus-Dieter Oetzel

Länge: 5:35 min

Nichts GEnaues weiß man nicht- 
Öko-Pessimisten und Öko-optimisten haben ein 
gemeinsames Problem:  Fehlende Daten

(22. Mai, Internationaler Tag der BIOLOGISCHEN  Vielfalt)

Moderation

Heute ist internationaler Tag der Artenvielfalt. Alle kennen die Schreckensnachrichten. Fast schon haben wir uns daran gewöhnt: Jede zehnte Baumart ist vom Aussterben bedroht. Über 70 Prozent der globalen Fischbestände sind überfischt. Jedes Jahr sterben rund 27.000 Arten aus – 73 am Tag und drei in der Stunde. Immer häufiger geben jedoch in letzter Zeit sogenannte Öko-Optimisten Entwarnung: Wer glaubt, dass wir vor einer Aussterbekatastrophe stehen, habe schlicht falsch gerechnet. Aber wer hat denn nun recht? Ist die Vielfalt tatsächlich gefährdet? Claudia Ruby berichtet.

Sprecherin

Wer wissen möchte, wie viele Tiere und Pflanzen aussterben, muß zunächst einmal wissen, wie viele Spezies es überhaupt auf der Erde gibt. Doch die ehrliche Antwort auf diese Frage lautet: Wir wissen es nicht. Wir kennen noch nicht einmal die Dimension, sagt Clas Naumann, Direktor am Zoologischen Forschungsinstitut und Museum Alexander Koenig in Bonn. Wissenschaftlich bekannt sind zur Zeit rund 1,8 Millionen Tier- und Pflanzenarten.

O-Ton 1: Prof. Clas Naumann, Museum Alexander Koenig, Bonn

Man rechnet bei vorsichtigen Schätzungen heute mit einer Artenzahl von 8-10 Millionen und bei unvorsichtigen Schätzungen bis zu 100 Millionen. Das heißt, wir haben ein enormes Defizit. Einer der führenden Biodiversitätsforscher in England hat mal gesagt, wir wissen mehr über die Zusammensetzung der Milchstraße als über die Zusammensetzung der uns unmittelbar umgebenden Natur.

Sprecherin

Fest steht: schon immer sind Arten ausgestorben. Mit und ohne Beteiligung des Menschen. 99 Prozent aller Spezies, die die Evolution hervorgebracht hat, sind wieder verschwunden. Wie Individuen leben auch Arten nur eine begrenzte Zeit. Sogenannte lebende Fossilien, etwa Quastenflosser oder Pfeilschwanzkrebs, bleiben eine große Ausnahme. Sie existieren bereits seit mehreren hundert Millionen Jahren. Umweltschützer warnen jedoch, dass sich die Aussterberate heute um den Faktor 1.000 beschleunigt. „Solche Zahlen sind hochspekulativ“, hält der Biologe Glaw dagegen. Das Aussterben vollzieht sich meist im Verborgenen.

O-Ton 2: Dr. Frank Glaw, Zoologische Staatssammlung München

Wir kennen natürlich nur ganz wenige dokumentierte Aussterbevorgänge, und dabei handelt es sich um große, auffällige Tiere, die auch fossilisieren. Wir wissen praktisch nichts über das Aussterben von Insekten und Kleintieren. Gerade im Regenwald, wo die Wahrscheinlichkeit gleich Null ist, wenn diese Tiere ausgestorben sind, noch irgendwelche Überreste von denen zu finden. D.h. wir wissen eigentlich relativ wenig über das Artensterben, und wir wissen auch noch sehr wenig über die Artenvielfalt. Diese Unsicherheit ist einfach in diesen Angaben enthalten.

Sprecherin

Deutliche Spuren hat die letzte große Aussterbekatastrophe hinterlassen: Vor 65 Millionen Jahren verschwanden die Dinosaurier von der Bühne des Lebens. Erst danach konnten die Säugetiere ihren Siegeszug antreten. Ohne das Aussterben der Saurier gäbe es wahrscheinlich keine Menschen auf der Erde. Auch heute denken wir beim Artenschutz vor allem an unsere nächsten Verwandten – an die Säugetiere. Es gibt Rettungskampagnen für Pandabär und Tiger, für Wale und Orang-Utans. Wirbeltierchauvinismus nennen das manche Kritiker. Denn diese bekannten Arten machen nur einen Bruchteil der bedrohten Vielfalt aus, sagt Professor Ragnar Kinzelbach von der Gesellschaft für biologische Systematik.

O-Ton 3: Prof. Ragnar Kinzelbach, Uni Rostock

Ich fange an mit den Parasiten. Ein Drittel aller Tierarten sind Parasiten. Niemand möchte einen Parasiten erhalten. Und niemand stellt sich zur Verfügung, den bedrohten Fischbandwurm in seinem Körper zu züchten. Insofern ist das absolut subjektiv, was wir tun. Zum Zweiten gibt es ganz wichtige Tiere, die unser Ökosystem am Laufen erhalten - von Pflanzen ganz abgesehen. Nämlich Regenwürmer oder Bodenmilben oder die kleinen Springschwänze, die zur Humusbildung beitragen usw. Wenn die ausfallen, würden Ökosysteme tatsächlich bei uns zusammenbrechen. Dagegen, wenn eines dieser Herzenstiere ausstirbt, ist das zwar traurig, und wir wollen das auf gar keinen Fall haben, aber das Ökosystem bricht nicht zusammen.

Sprecherin

Entscheidend ist nicht der Schutz einzelner Arten. Entscheidend ist der Erhalt von Lebensräumen – vor allem der sogenannten Hot Spots. Sie bedecken weniger als zwei Prozent der Erdoberfläche, beherbergen aber 44 Prozent aller Pflanzenarten und 35 Prozent der Landwirbeltiere. Außerdem leben in den Hot Spots besonders viele endemische Arten. Das sind Tiere und Pflanzen, die es nur an diesem Ort gibt und nirgendwo sonst auf der Welt. Weltweit haben Ökologen 25 Regionen definiert, sagt Frank Glaw von der Zoologischen Staatssammlung in München.

O-Ton 4: Dr. Frank Glaw, Zoologische Staatssammlung München

Waldfläche ist nicht gleich Waldfläche. Es gibt in Amazonien riesige Waldflächen, die völlig gleiche Artzusammensetzung aufweisen. In den Anden hingegen haben viele Täler komplett endemische Faunen. D.h. es ist aus Sicht des Artenschutzes viel wichtiger, diese kleinflächigen Areale zu schützen als einen großen gleichförmigen Wald.

Sprecherin

Früher glaubten die Ökologen an eine feste Relation: Wird eine Waldfläche um 90 Prozent verkleinert, sterben 50 Prozent der Arten aus. Doch diese Zahl wurde vor allem auf Inseln ermittelt. Man kann sie nicht einfach auf große kontinentale Waldflächen übertragen. Die Artenvielfalt hält sich nicht an mathematische Regeln.

O-Ton 5: Dr. Frank Glaw, Zoologische Staatssammlung München

Wenn ein Endemitenzentrum total zerstört wird, dann kann es in kürzester Zeit zum Aussterben von vielen tausend Arten führen. Wenn aber dieses Gebiet nur flächenmäßig stark reduziert wird, dann können zumindest Kleintiere dort noch über viele Jahrhunderte überleben und deswegen denke ich: Heutzutage befinden wir uns in einer Phase, wo sehr viele Wälder stark schrumpfen, aber es sind eigentlich fast immer noch Restwaldgebiete vorhanden, die aus irgendwelchen Gründen der Rodung oder dem Abholzen entkommen sind, und in diesen Gebieten haben sich meistens noch – gerade was die Kleintiere betrifft – sehr viele endemische Arten bis zum heutigen Tag gehalten. Es ist sozusagen 5 vor 12, es sieht für viele Arten schon schlecht aus, aber die allermeisten Arten auf der Erde denke ich, sind noch zu retten.

 


Stand: 20.05.2002 / zgh Themen:  Tag der Biologischen Vielfalt     Biologische Vielfalt
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