Initiative 2000Plus -
Papiermaterialien aus Recycling-Papier


6. Infopaket/ Anlage 2

  1. Das große Plündern geht weiter - Papierhunger und seine Folgen
  2. Forstwirtschaft und Landrechte in Britisch Kolumbien
  3. Zellstoff- und Papierproduktion in Indonesien


Das große Plündern geht weiter - Papierhunger und seine Folgen

Berichte über die Situation in Britisch Kolumbien und Indonesien,
zusammengestellt von urgewald

Einführung

Nach Angaben des renommierten "World Watch Instituts" geht weltweit jeder fünfte eingeschlagene Baum in die Papierproduktion. Die Herstellung von Zellstoff vernichtet Ökosysteme, verseucht Flüsse und zerstört damit Existenzgrundlagen von Menschen.

Deutschland gehört zu den ganz großen Papierverschwendern, im letzten Jahr waren es 233 kg pro Person. Gedeckt wird der gewaltigen Rohstoffbedarf der Papierindustrie aber nicht etwa aus dem Holz deutschen Wälder, sondern durch Importe aus aller Herren Länder. Weltweit gesehen ist Deutschland der zweitgrößte Zellstoffimporteur.

Der überwiegende Teil dieser Importe kommt aus den nordischen Wäldern. Aus Kanada importiert Deutschland 20 Prozent seines Zellstoffs - nur Schweden liefert mehr. Skandinavien hat heute kaum noch Urwälder, das Holz für die Zellstoffgewinnung kommt aus den neu angepflanzten Forsten. In Kanada hingegen bedienen sich internationale Holzkonzerne bis heute in den natürlichen Wäldern, vorzugsweise in den Urwäldern der westlichsten Provinz Britisch Kolumbien. Daran ändert auch das Memorandum und die Unterschutzstellung von 20 Tälern im "Great Bear Forest" nichts. Dies ist zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung. Doch das große Plündern geht weiter. Die internationalen Konzerne ziehen weiter in die ungeschützten, deshalb aber nicht weniger wertvollen Gebiete. Kanadas einzigartige Wildnis und die Existenzgrundlage der dort lebenden Bevölkerung werden zerstört, um aus dem Holz der Wälder kurzlebige Papierprodukte herzustellen.

Lesen sie hierzu die Stellungnahme von Jutta Kill zur aktuellen Situation im "Great Bear Forst". Jutta Kill, ehemalige Mitarbeiterin von urgewald, verbrachte die letzten zwei Winter in Bella Coola, einem Küstenort inmitten des "Great Bear Forest" und arbeitet eng mit den Nuxalk, einem der sechs indianischen Völker der Westküste, zusammen. Während der Sommerzeit arbeitet sie in Europa für die internationale Umweltorganisation FERN. Ihre Schwerpunkte bei FERN sind Klima und Wald. Mehr Informationen zum "Great Bear Forest" und den Nuxalk finden sie unter www.urgewald.de/Kampagnen/Kleinprojekte.


Aber nicht nur der Norden liefert die Rohstoffe für die Papierherstellung, auch die Wälder der südlichen Hemisphäre sind interessant für die Zellstoffgewinnung. Dabei gibt es viele Parallelen zwischen so unterschiedlichen Ländern wie Kanada und Indonesien: Plünderung der Naturressourcen, Missachtung von Landrechten und große Gewinne für die internationalen Konzerne, während die einheimische Bevölkerung leer ausgeht. Allerdings werfen die südlichen Länder ihre Ware sehr viel billiger auf den Markt als die Länder des Nordens. Diese billige Papierprodukte erreichen auch den deutschen Markt. Laut Schätzung der Umweltorganisation CIFOR verschwanden allein in Indonesien zwischen 1988 und 1999 ca. 835.000 Hektar natürlichen Waldes - eine Fläche so groß wie die Bundesrepublik - in den Zellstoffmühlen des Landes. Von den 5 Mio. Tonnen produzierten Zellstoffs gehen Zweidrittel und von den 8 Mio. Tonnen Papier die Hälfte in den Export. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Papier liegt in Indonesien bei 16,2 kg.

Deutschland trägt gleich auf zwei Ebenen Mitverantwortung für die Situation in Indonesien. Deutsche Finanzinstitutionen und Firmen beteiligen sich seit Mitte der 80er Jahre massiv am Ausbau der indonesischen Zellstoff- und Papierproduktionskapazitäten: von deutscher Seite wurden seither Hermesbürgschaften ( 1 )  in Höhe von fast einer Milliarde DM übernommen. Und der gigantische Papierhunger in den Industriestaaten lässt den Druck auf die Naturressourcen immer größer werden.

Barbara Happe, Mitarbeiterin von urgewald, war vor Ort, um sich selbst ein Bild über die Situation in Indonesien zu machen. Lesen sie ihren gekürzten Reisebericht. Die ausführliche Version erhalten sie Ende September unter www.urgewald.de. Der Fokus ihrer Recherchen lag darauf, die gesundheitlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen der Zellstoff- und Papierprojekte auf Mensch und Natur selbst kennenzulernen und die - von den deutschen Finanziers immer wieder betonte - "Förderungswürdigkeit" dieser Projekte zu überprüfen.

urgewald fordert seit langem eine Reform der Außenwirtschaftsförderung. Bei der Vergabe von Bürgschaften sollten gewisse ökologische und soziale Mindeststandards beachtet werden, damit eine Beteiligung an zerstörerischen Projekten zukünftig ausgeschlossen werden kann. Mit ihrer Verbraucherkampagne setzt sich urgewald für eine ökologische Nutzung von Papier ein. Papier einsparen, wo es geht und Recyclingpapier verwenden, dass ist ein Schritt, den jeder Verbraucher und jede Verbraucherin umsetzen kann.


Machen sie für uns die Augen auf!

Unserer Recherche, welches und wie viel Papier aus Indonesien auf den deutschen Markt kommt, ist noch in Arbeit. Wenn sie in ihrem Geschäft Papier aus Indonesien finden (Beispiele April Paper One, APP Golden Paper, beide zusammen die größten Zellstoffhersteller in Indonesien) teilen Sie uns dies bitte mit.

Zu Ihrer weiteren Information:

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Forstwirtschaft und Landrechte in Britisch Kolumbien

Memorandum über Waldnutzung im "Great Bear Rainforest" keine Garantie für Urwälder und Landrechte der Nuxalk

Bericht von Jutta Kill  ( 2 )


Kanada ist einer der wichtigsten Zellstoffexporteure für die Papierindustrie in Deutschland - und die einzige Industrienation des Nordens, die zum Betrieb ihre Zellstofffabriken in Britisch Kolumbien einzigartige Urwälder auf indianischem Land plündert. Proteste und internationale Kampagnen haben diesen Raubbau an den Wäldern der kanadischen Westküste in den vergangenen Jahren deutlich verlangsamt. Zu Beginn diesen Jahres reagierten Holzkonzerne und die Provinzregierung Britisch Kolumbiens auf die Einnahme- und Imageverluste, die die internationale Kampagne zum Schutz des "Great Bear Rainforest" nach sich zog: Sie boten den an der Kampagne beteiligten Umweltorganisationen und indianischen Völkern Verhandlungen über ein gemeinsames Memorandum an, das die zukünftige Waldnutzung im "Great Bear Rainforest" regeln sollte. Im April schließlich unterzeichneten die betroffenen Holzkonzerne, die Provinzregierung sowie die großen an der Kampagne beteiligten Umweltorganisationen und Vertreter von sechs indianischen Völkern das "Great Bear Rainforest Agreement".

Das Memorandum schlägt den Schutz von insgesamt 20 noch intakten Täler über 5000 ha vor, für 69 weitere Täler wurde ein Einschlagmoratorium von vorerst 12 bis 24 Monaten vereinbart und die Holzeinschlagrate wurde um 15% gesenkt. Pressemitteilungen und zahlreiche Artikel, auch in der deutschen Presse, preisen das Memorandum als "historischen Erfolg". Historisch scheint jedoch vor allem der Wunsch zu sein, den wahren Tatsachen nicht ins Auge sehen zu wollen: Das große Plündern der Urwälder im "Great Bear Rainforest" geht weiter.
 

Das Memorandum in Zahlen

Größe des "Great Bear Rainforest"

7 Mio. ha

Anzahl der noch intakten Täler über 5000 ha

ca. 50

Durch das Abkommen geschützte Täler

20,  entspricht 6 500 km2  (13% der Landfläche im GBR, nur zum Teil bewaldet),
davon 2000 km2, deren Schutzstatus lediglich aufgewertet wurde)

Täler mit Einschlagmoratorium von 12-24 Monaten

880 000 ha  ( 8800 km2)

Einschlagzonen mit besonderen Sichtschutz Auflagen

4%, insbesondere entlang der viel befahrenen Touristen-Schiffsrouten


Die Schattenseiten des Memorandums

Das Abkommen missachtet weiterhin die Landrechte der Nuxalk

Eine der zentralen Forderungen der internationalen Kampagne war die Anerkennung der Landrechte indianischer Völker im "Great Bear Rainforest". Im Mittelpunkt der Kampagne standen dabei die Landrechte der Nuxalk, eines von sechs Völkern im "Great Bear Rainforest". Die traditionelle Stammesleitung des Nuxalk, das House of Smayusta, legte 1997 den Grundstein für die internationale Kampagne, als sie internationale Umweltorganisationen einluden, gemeinsam für den Erhalt der Urwälder im "Great Bear Rainforest" zu streiten.

Die Landrechte der Nuxalk erkennt das Abkommen nicht adäquat an, denn eine Zustimmung zum Memorandum böte ihnen auch weiterhin nur marginales Mitspracherecht über die Nutzung ihres Landes: Gegen den Willen des Nuxalk House of Smayusta schlagen eben jene Holzkonzerne, die das Memorandum unterzeichnet haben, weiterhin Urwälder ein. Folglich findet das Memorandum bei den Nuxalk auch keine Unterstützung, sie lehnen es ab und fordern nach wie vor ein Abkommen mit der kanadischen Regierung, das ihre Landrecht anerkennt und den Raubbau der Urwälder gegen ihren Willen verhindert.
 

Landrechte in Britisch Kolumbien

Eine der politisch brisantesten Kontroversen in Britisch Kolumbien ist die Diskussion um die Landrechte. Im Gegensatz zur Situation in den meisten anderen Provinzen, haben die indianischen Völker in Britisch Kolumbien ihr Land nie und die Kanadische Regierung abgetreten. Sie sind folglich weiterhin im rechtmäßigen Besitz der Rechte über ihr traditionelles Land. Wachsender internationaler Druck, auch von der UN Menschenrechtskommission veranlasste Kanada 1993 dazu, einen Prozess zur nachträglichen Verhandlung von Landabtretungsverträgen zu initiieren - den BC Treaty Process. Die Mehrheit der indianischen Nationen in BC lehnt den Prozess jedoch wegen extrem restriktiver Rahmenbedingungen (3) ab und fordert ein Verfahren, das ihr Überleben als kulturell und wirtschaftlich eigenständige Völker sichert.


Der Einschlag in zahlreichen ökologisch wertvollen und kulturell bedeutsamen Urwaldtälern geht weiter

Während das Memorandum den Schutz eines Teils der Urwälder im "Great Bear Rainforest" vorschlägt oder den Tälern zumindest eine 12 bis 24 monatige Atempause verschafft, geht der Kahlschlag in anderen, unter ökologischen Aspekten sogar z.T. bedeutsameren Tälern, weiter. Und auch wenn Anzahl und Größe der Gebiete, in denen vorerst kein Einschlag stattfindet, für europäische Verhältnisse gigantisch erscheinen, ist es wichtig, sich die Rahmenbedingungen an der Westküste von Britisch Kolumbien in Erinnerung zu rufen: Drei viertel der Urwaldtäler an der Westküste Britisch Kolumbiens sind bereits mit Kahlschlägen überzogen. Seit 1990 wurden mehr als 35 intakte Urwaldtäler durch Kahlschlag zerstört. Seit 1997 entstanden in 15 intakten Tälern Forststraßen, die die Gebiete für die Ressourcenplünderung öffnen. In vielen Fällen wurden die wirtschaftlich interessanten Urwaldholzbestände bereits völlig entfernt und die wirtschaftlich wie ökologisch besonders bedeutsamen Urwälder in den Tieflagen der Täler als erstes zerstört. Und selbst in den nun geschützten Tälern ist der Abbau von Bodenschätzen weiterhin erlaubt. Etwa im Falle des Klinaklini, eines der 20 unter Schutz gestellten Täler, soll die Ressourcennutzung nur dann eingestellt werden, wenn sich nach 15 jähriger Explorationszeit zeigt, dass der Abbau von Bodenschätzen in dem Gebiet nicht wirtschaftlich rentabel ist.

Das weltweit letzte große zusammenhängende Urwaldgebietes der temperaten Regenwälder - ein Ökosystem, das über mehr als ein Jahrtausend hinweg entstand - wird trotz Memorandum zerstört, um aus dem Holz der Wälder kurzlebige Papierprodukte herzustellen.

Keine Abkehr vom maroden Lizenzsystem

Umweltorganisationen und Bürgergruppen in Britisch Kolumbien fordern seit Jahren die Reform des bestehende Lizenzsystems. Dieses Lizenzsystem bescherte den großen Holzkonzernen Langzeiteinschlaglizenen zu Ausverkaufspreisen und mit zahlreichen Sicherheiten, während kleinere Unternehmen darauf angewiesen sind, sich ihre Einschlagslizenzen zu weit höheren Preisen und mit sehr kurzen Laufzeiten zu ersteigern. So zahlen die Holzkonzerne weiterhin nur einen verschwindend kleinen Bruchteil des Holzmarktwertes als "stumpage" an die Provinzregierung; gezahlt wird nur für die tatsächlich abtransportierten Baumstämme. Die Bevorzugung der großen Konzerne bei der Lizenzvergabe zog eine wenig diversifizierte Verarbeitung im Holzsektor nach sich, die sich auf die Massenproduktion von Zellstoff und Halbschnittwaren sowie auf den Export von unverarbeiteten Stämmen konzentriert. Diese Strukturschwäche beschert zwar den Holzkonzernen ansehnliche Profits, doch die Gewinne aus der Urwaldzerstörung verlassen den "Great Bear Rainforest" mit den unverarbeiteten Holzstämmen. Das Memorandum ändert nichts an den maroden Strukturen des Lizenzsystems in Britisch Kolumbien, die Holzeinschlagrechte bleiben weiterhin in der Hand nur weniger großer Holzkonzerne und beschränken die Möglichkeiten der lokalen Bevölkerung, eine den regionalen Bedürfnissen angepasste Waldnutzung aufzubauen.

Zellstoff "Made in British Columbia" zerstört somit nach wie vor Urwälder und missachtet die Landrechte der Nuxalk. Die Fortsetzung des Holzeinschlags in Urwäldern auf traditionellem Territorium der Nuxalk trägt weiterhin zum Verlust alternativer Einnahmequellen für die lokalen Bevölkerung, insbesondere der Nuxalk bei, indem der Kahlschlag Pilzgärten zerstört, deren Nutzung vielen Familien ein bescheidenes Einkommen sichert.

Kanadas einzigartige Urwälder und die Existenzgrundlage der dort lebenden Bevölkerung werden zerstört, um aus dem Holz der Wälder kurzlebige Papierprodukte herzustellen. Ein wirksamer Beitrag zum Urwaldschutz ist nach wie vor eine drastische Reduktion unserer Papierverschwendung und der verstärkte Einsatz von Recyclingpapierprodukten.

Jutta Kill, August 2001

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Zellstoff- und Papierproduktion in Indonesien

Auszüge aus einem Reisebericht vom 01. bis 19. April 2001

von Barbara Happe, urgewald

Das große Plündern auf der "Insel der Hoffnung"

Wegen ihres Reichtums an natürlichen Ressourcen wie Tropenhölzern, Erdöl und Erdgas trägt die zweitgrößte indonesische Insel Sumatra im Volksmund auch die Namen "Goldinsel" oder "Insel der Hoffnung". Seit geraumer Zeit erreichen uns allerdings kaum noch optimistisch stimmende Mitteilungen von dort, im Gegenteil: die dortigen Umwelt- und Menschenrechtsgruppen berichten von der Plünderung der natürlichen Ressourcen, von der Verschmutzung der Umwelt und damit zusammenhängenden gesundheitlichen Risiken für die lokale Bevölkerung und von Landrechtskonflikten. Maßgeblich beteiligt an diesen Entwicklungstrends sind internationale und auch deutsche Finanzinstitutionen und Firmen, die über Exporte und Kredite seit Mitte der 80er Jahre ihren Beitrag zum Ausbau der Zellstoff- und Papierproduktionskapazitäten geleistet haben. Allein von deutscher Seite wurden ab Mitte der 80er Jahre immerhin Hermesbürgschaften in Höhe von fast einer Milliarde DM für indonesische Zellstoff- und Papierwerke übernommen.

Das Gros des in Indonesien produzierten Zellstoffs und Papiers geht in den Export und dient damit der Befriedigung des steigenden Papierbedarfs von VerbraucherInnen in den Industrieländern, u.a. auch in Europa. In Indonesien lag der Pro-Kopf-Verbrauch an Papier 1999 gerade mal bei 16,2 kg. Im Vergleich dazu wurden in Deutschland im Jahr 1999 pro Person 214,6 kg Papier verbraucht.

Aufgrund der deutschen Beteiligung an der Finanzierung von Zellstoff- und Papiermühlen sowie Aufgrund des Verbrauchszuwachs und der damit verbundenen steigenden Nachfrage nach Zellstoff und Papier auf dem deutschen Markt entschlossen wir uns zu einem eigenen Rechercheaufenthalt in Indonesien. Vom 01. bis 19. April 2001 besuchte ich für urgewald Zellstoffwerkstandorte auf der indonesischen Insel Sumatra (Palembang, Jambi, Pekanbaru) und die Hauptstadt Jakarta. Der Fokus dieser "Besichtigungstour" lag darauf, die gesundheitlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen der Zellstoff- und Papierprojekte auf Mensch und Natur selbst kennen zu lernen und die - von den internationalen Finanziers immer wieder betonte - "Förderungswürdigkeit" und "wirtschaftliche Vertretbarkeit" der Projekte zu überprüfen.


Der Zellstoff- und Papierboom

Zellstoff- und Papierproduktion sind ein Wachstumssektor in Indonesien. Das Land ist reich an Wald, das Klima günstig für den Holzwuchs und die Holzkosten sind auf dem Weltmarkt unschlagbar niedrig. Dies veranlasste die indonesische Regierung Mitte der 80er Jahre, den Ausbau der Zellstoff- und Papierproduktionskapazitäten über großzügige Subventionen (wie z.B. Steuervergünstigungen) zu fördern. Internationale Finanzinstitutionen und Firmen beteiligten sich dabei bereitwillig an diesem Vorhaben: 12 der heute 81 Zellstoff- und Papiermühlen des Landes, die 70% der Zellstoff- und 43% der Papierproduktion bereitstellen, gehen auf Investitionen ausländischer Firmen zurück . Insgesamt gibt es inzwischen 65 Papierfabriken, 6 Zellstofffabriken und 10 kombinierte Fabriken auf indonesischem Territorium. Die Zellstoffproduktion konzentriert sich dabei hauptsächlich auf die Insel Sumatra (83%) und die Papierproduktion zu 84% auf Java. Die jährlichen Produktionskapazitäten liegen derzeit bei 8,5 Mio. t Papier und fast 5 Mio. t Zellstoff und haben sich damit seit Ende der 80er Jahre in beiden Sektoren versiebenfacht. Heute gehört Indonesien weltweit zu den "Top 10" unter den Zellstoff- und Papierproduzenten.

Überdimensionierter und illegaler Holzeinschlag Mit dem Ausbau der Produktionskapazitäten stieg auch die Nachfrage nach dem dafür benötigten Rohstoff Holz drastisch an. Bis 1999 war allerdings erst ein Bruchteil der für diese Zwecke ausgewiesenen Plantagenflächen de facto angelegt worden . Holzunternehmen und Zellstoffproduzenten setzen stattdessen auf die kostengünstige Variante der Plünderung und Ausbeutung der natürlichen Holzreserven, ohne kahlgeschlagene Flächen - wie gesetzlich eigentlich vorgeschrieben - im Gegenzug wieder mit Plantagenhölzern aufzuforsten. Nach Berechnungen des Forschungsinstitutes CIFOR sind nur ca. 10% der Hölzer, die in den indonesischen Fabriken zunächst zu Zellstoff und z.T. zu Papier weiterverarbeitet werden, Plantagenhölzer. 30-40% der Hölzer stammen aus illegalen Quellen, und dabei machen die Konzerne selbst vor der Plünderung von Naturschutzgebieten nicht halt. Aufgrund dieser "tabula-rasa"-Holzeinschlagspraxis werden mittelfristig Engpässe bei der Versorgung der Zellstoff- und Papierfabriken mit Holz - sowohl Natur- als auch Plantagenhölzer - auftreten. Denn es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis der Großteil des Holzbedarfes für die Zellstoffmühlen nicht mehr aus natürlichen Mischwäldern gedeckt werden kann und bis selbst der letzte Bürokrat im Forstministerium eingestehen muss, dass es auf dem Papier zwar eine hinreichende Menge an Plantagenhölzern gibt, ein Großteil der zugesagten und in Geschäftsberichten dokumentierten Plantagen jedoch de facto niemals angelegt worden ist.

Nach Schätzungen des Forstministeriums verlor Sumatra insgesamt zwischen 1985 und 1997 6,7 Mio. ha Wald (jährliche Entwaldungsrate: 560.000 ha) und damit fast 30% der noch vorhandenen Waldflächen . Unter Beibehaltung des jetzigen Entwaldungstempos wird Sumatra nach Schätzungen von Weltbankexperten bereits im Jahre 2005 über keine natürlichen Wälder mehr verfügen, die sich für die Zellstoffproduktion eignen.

Und wenn es keine adäquaten Hölzer mehr gibt, dann verliert die Zellstoff- und Papierproduktion in Indonesien auch ihren ökonomischen Reiz, da der Preis für Zellstoff auf dem Weltmarkt deutlich oberhalb des derzeitigen indonesischen Preises liegt. Fehlende staatliche Regulierung ist maßgeblich für die massive Ausbeutung der Holzressourcen auf Sumatra verantwortlich. Ein dicht gesponnenes Netz von Korruption zwischen Holzkonzernen, staatlichen Behörden auf allen Ebenen und Teilen der lokalen GemeindevertreterInnen verhindert wirksame Kontrollen, und ermöglicht es den Holzkonzernen, Berichte bezüglich Holzeinschlagquoten und Plantagengrößen zu fälschen.

Auch das indonesische Forstministerium hat das Problem des illegalen Holzeinschlags bereits vor längerem öffentlich als Problem erkannt - es mangelt allerdings noch immer an wirkungsvollen und glaubwürdigen Bekämpfungsstrategien und -aktionen. Im Forstministerium herrscht reger Personalwechsel: ehemalige ranghohe Beamte klagen über fehlende Sanktionsmöglichkeiten gegenüber ranghohen Mitgliedern der Holz-"Mafia" (gemeint sind hier Holzkonzerne, die in illegale Machenschaften bei der Bewirtschaftung ihrer Konzessionsflächen verstrickt sind), da deren Handeln durch hohe politische Akteure geschützt werde, die ggf. über einige Telefonanrufe die Freilassung von "Mafia-Bossen" erwirken könnten .

Der Konflikt um die Landrechte

Der Prozess der sogenannten "Erschließung" der Land- und Rohstoffreserven für die Zellstoff- und Papierproduktion hat Landrechtskonflikte hervorgebracht bzw. geschürt. Bereits in den 70er Jahren begann die indonesische Regierung damit, großzügig Konzessionen zur gewerblichen Nutzung von Land an einige große Holzkonzerne zu vergeben . Dies jedoch oftmals, ohne Rücksicht auf traditionelle Landrechtsstrukturen ("adat") und "Gemeindeland" zu nehmen. Ebenso selbstverständlich wie der Staat und die Holzkonzerne bedienen sich teilweise Zellstoffwerke dieser Ländereien, ohne bzw. indem sie nur minimale Entschädigungen (zu) zahlen. Brandstiftungen auf "community-Land", durch MitarbeiterInnen von Holzfirmen gelegt, um Primärwälder in Plantagen umwandeln zu können, runden das Bild der Landrechtskonflikte ab, die den Lebensraum der lokalen Bevölkerungsgruppen einschränken und zerstören. Bei Landrechtskonflikten jeglicher Art gelingt es den Firmen oftmals, die DorfbewohnerInnen über korruptive Machenschaften in eine BEFÜRWORTER- und eine GEGNER-Fraktion zu spalten. Zur Befürworter-Fraktion gehören in der Regel der staatlich eingesetzte "Dorfchief" und seine AnhängerInnen, die sich pragmatisch, opportunistisch in korruptive Netzwerke einbinden lassen, um wenigstens in irgendeiner Form von der - "eh nicht zu verhindernden" -Wegnahme der Ländereien bzw. Plünderung des Holzes zu profitieren. Nur selten kommt es zu geschlossenen Protesten von DorfbewohnerInnen gegen widerrechtliche Plünderungen, und diese sind dann auch oft zum Scheitern verurteilt, da lokale Militär- und Polizeikräfte oftmals Teil der korrupten "Seilschaften" sind und Widerstand durch Einschüchterungstaktiken Frühzeitig zu unterbinden wissen .

Leidtragende sind die lokale Bevölkerung und die Umwelt

Die Papier- und Zellstoffindustrien des Landes sind zugleich die größten Verbraucher von Chlorsubstanzen. Chlorverbindungen werden in der Zellstoffproduktion beim Bleichen eingesetzt, um die aus Holz zu gewinnende Zellulose vom Lignin zu lösen. Nach Schätzungen aus Industriekreisen entstehen dabei jährlich 500.000 t Chlor"abfälle", die insgesamt für knapp die Hälfte der Chlor-Emissionen des gesamten Landes verantwortlich sind.

Die Lebensbedingungen in den Dörfern entlang der Flüsse, in die die Abwasser der Zellstoffmühlen eingeleitet werden, haben sich seit der Inbetriebnahme und Kapazitätsausdehnung der Fabriken auf erschreckende Weise verschlechtert. Die Zahl von Hauterkrankungen in Form von Schuppenbildungen und Pilzinfektionen an Armen, Rücken und Nacken, hat konstant zugenommen. Prof. Trabani Rab diagnostiziert in einigen dieser Dörfer zudem eine überproportional hohe Zahl von Atemwegserkrankungen. DorfbewohnerInnen klagen über die Verseuchung des Grundwassers und den Rückgang des Obstbestandes ihrer Bäume. Fischfang zur Überlebenssicherung ist ferner auch nur noch eingeschränkt möglich, da der Fischbestand und die -erträge deutlich rückläufig sind. Einige Fischer zeigen mir Zeitungsausschnitte, in denen über den Tod von Tausenden von Fischen und Krabben in ihren Flüssen nach Unregelmäßigkeiten in den Fabriken berichtet wird . In allen von mir besuchten Dörfern entlang der Zellstoffmühlen zeigen sich ähnliche Krankheitssymptome, allerdings in unterschiedlichen Ausmaßen. Von Juckreiz nach dem Baden, von Hustenanfällen und Atembeschwerden wird mir allerdings überall berichtet. Je schlechter und seltener die Abwasseranlagen der Werke funktionieren, je näher die Dörfer an den Werken liegen und je häufiger das Flusswasser zum Trinken und Baden benutzt wird, desto zahlreicher die Krankheitsfälle und desto gravierender die Krankheitsverläufe.

Ein schlechtes Tauschgeschäft

Deutsche Banken und Unternehmen haben sich mit Rückendeckung durch den deutschen Staat am überdimensionierten Zellstoff- und Papierboom und somit an der Plünderung der Wälder in Indonesien beteiligt; v.a., um das eigene Investitionsbedürfnis und den Papierhunger in den Industrieländern befriedigen zu können. Die indonesische Bevölkerung muss nun allein die Kosten dieser fragwürdigen Entwicklungen tragen: sie sieht sich im Gegenzug mit der Zerstörung ihrer Umwelt und der Verschmutzung ihrer Gewässer und Luft konfrontiert. Ein schlechtes Tauschgeschäft.

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Fußnoten:
  1. Hermesbürgschaften sind das bedeutendste Instrument zur Förderung des deutschen Exportes. Mit diesen Bürgschaften sichert die Bundesregierung Ausfuhren einheimischer Firmen in Schwellen- und Entwicklungsländer gegenüber wirtschaftlichen und politischen Risiken ab.
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  2. Jutta Kill, ehemalige Mitarbeiterin von urgewald, verbrachte die letzten zwei Winter in Bella Coola, einem Küstenort inmitten des "Great Bear Forest" und arbeitet eng mit den Nuxalk, einem der sechs indianischen Völker der Westküste, zusammen. Während der Sommerzeit arbeitet sie in Europa für die internationale Umweltorganisation FERN.  ( Zurück )
  3. Endgültige Abtretung der Landrechte auf mindestens 95% des traditionellen Territoriums, extrem geringe monetäre Entschädigung für die Teile des traditionellen Landes, über das alle Rechte abgetreten werden, Verzicht auf Proteste gegen Ressourcenraubbau, Holzeinschlag und Bergbau gehen jedoch weiter, Aufwandsentschädigung für die Teilnahme an den Verhandlungen ist nach Abschluss der Verhandlungen aus den aus der Landabtretung erhaltenen Geldern zurückzuzahlen   ( Zurück )

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Quelle: Initiative 2000plus/ 6.Infopaket,   z.T. readaktionell geändert und durch Links ergänzt
Aufbereitung für das Internet:  H. Ziegeldorf    

Stand: 14.9.2001